• Burg Altena

    Transskript zum Podcast Burg Altena

    Hier im Tal, wo sich die Lenne durch das Sauerland schlängelt, wird es ganz schön eng. Zwischen Häusern und alten Fabriken kämpft sich die Straße mühsam hindurch – und ich bin froh, dass ich nicht mit einem größeren Auto unterwegs bin.

    Doch hoch über dem engen Tal, dort wo der Blick weit wird, thront eine der schönsten Höhenburgen im ganzen Land – sagen jedenfalls die Sauerländer. Und ganz ehrlich: Für mich ist es eines der vielfältigsten und spannendsten Museen überhaupt.

    Ein Ort, der Geschichte lebendig macht – und gerade mit Kindern ein echtes Erlebnis ist.

    Erfahre heute:

    Wer den Löffel abgibt und
    warum Ritter am liebsten den Aufzug zur Burg benutzen.

    Stell dir vor, wir schreiben das frühe 12. Jahrhundert. Oben auf einem felsigen Höhenzug über dem Lennetal beginnt etwas Großes – wortwörtlich. Die Grafen von Berg lassen dort eine mächtige Burg errichten. Kein kleines Jagdschlösschen, nein: eine richtige Festung. Und das wohl nicht ganz ohne Hintergedanken. Denn rund um Altena florierte das Eisengewerbe, und das wollte man sich sichern – strategisch, wirtschaftlich und natürlich auch politisch.

    Die exakten Jahreszahlen zur Entstehung der Burg? Tja, da wurde im Laufe der Zeit wohl ein bisschen… sagen wir mal: kreativ nachgeholfen. Aber wer will schon trockene Zahlen, wenn es eine gute Geschichte gibt?

    Und hier kommt die Legende ins Spiel.

    Denn als die mächtigen Grafen von Arnsberg Wind vom Bau der neuen Burg bekamen, sollen sie alles andere als erfreut gewesen sein. Ihre eigene Burg – stolz, prächtig, ganz frisch fertiggestellt – war das neue Machtzentrum der Region. Und nun? Da bauen die Nachbarn einfach eine Burg direkt in Sichtweite!

    Die Geschichte erzählt, dass einer der Arnsberger, sichtlich verärgert, den entscheidenden Satz gesagt haben soll:

    „Die ist mir all tu nah!“ – also: viel zu nah.

    Und wie das manchmal so ist mit Ärger, Dialekt und gutem Timing – Al-tu-nah wurde zu Altena. Ein Name war geboren, die Rivalität besiegelt – und eine Burg, die bis heute fasziniert.

    Ob das historisch alles so ganz genau stimmt? Vermutlich nicht.

    Aber ganz ehrlich: Eine Burg mit eingebautem Sprachwitz – das hat doch was, oder?

    Wobei – ganz in Sichtweite liegen Altena und Arnsberg dann doch nicht. Ich hab’s mal nachgemessen: Es sind immerhin rund 30 Kilometer Luftlinie. Also… entweder hatten die Arnsberger verdammt gute Augen – oder einfach ein ausgeprägtes Machtbewusstsein.

    Die Position der Burg Altena?

    Offenbar bestens gewählt. Denn anders als viele andere Festungen im Mittelalter wurde sie niemals erobert – nicht einmal belagert, soweit bekannt. Strategisch klug auf einem steilen Felssporn über dem Lennetal errichtet, ließ sie potenziellen Angreifern kaum eine Chance.

    Ganz anders das Arnsberger Schloss: einst ebenfalls eine imposante Anlage, heute nur noch ein paar einsame Mauerreste im Wald. Man könnte sagen: Während Altena den Test der Zeit bestanden hat, hat sich Arnsberg… eher zurückgezogen.

    Und wer sich die Altenaer Burg heute anschaut, merkt schnell: Der Berg, auf dem sie thront, ist kein Spaziergang. Die Anlage erstreckt sich über mehr als 200 Meter Länge – und das an einem Hang, der seinem Namen alle Ehre macht. Selbst mit festem Schuhwerk kommt man da ordentlich ins Schnaufen.

    Das erklärt wohl auch, dass die heutigen Ritter die Burg am liebsten mit dem Fahrstuhl erklimmen.

    Wer heute zur Burg Altena möchte, muss sich nicht mehr mühsam den steilen Burgberg hinaufquälen – zumindest nicht, wenn man sich für den etwas spektakuläreren Weg entscheidet: den Erlebnisaufzug.

    Klingt erstmal nach Freizeitpark – ist aber ein echtes Highlight. Denn dieser Aufzug ist kein gewöhnlicher Fahrstuhl. Es geht los tief unten in der Stadt.

    Schon der Zugang fühlt sich ein bisschen an wie ein kleiner Zeitsprung: dunkel, kühl, geheimnisvoll. Und genau so soll es sein. Bevor die Türen sich öffnen, führt der Weg durch eine multimediale Ausstellung im Tunnel – mit Licht, Ton und Geschichte. Hier wird nicht nur erklärt, hier wird erlebt.

    Und dann geht’s los: Mit dem Aufzug fährt man senkrecht durch den Felsen, über 80 Meter hoch, mitten durch das Gestein. Während der Fahrt trifft man den einen oder anderen Ritter, der versucht auf diesem Wege mit nach oben zu kommen.

    Oben angekommen öffnet sich die Tür – und man steht direkt unterhalb der Burgmauern.

    Und irgendwie passt das perfekt zur Burg Altena: Geschichte trifft Gegenwart. Mittelalter mit Hightech-Anschluss. Statt Ritterrüstung gibt’s heute LED-Beleuchtung – aber das Abenteuergefühl bleibt.

    Man erzählt sich, dass neben der Burg vor langer Zeit ein Mann namens Einhart lebte. Ein heiliger Einsiedler, Gott nah, aber leider weit weg vom nächsten Wasserhahn. Jeden Tag schleppte er seinen Krug runter zur Lenne und wieder rauf. Kein Spaß, besonders nicht mit müden Knochen.

    Eines Tages, ziemlich außer Puste und schon fast oben angekommen, rutscht er aus – zack, Krug kaputt, Wasser weg, Laune im Keller.

    Da schaut er Richtung Himmel und ruft:

    „Herr, kannst Du da nicht mal was drehen? Ich bin doch kein junger Hüpfer mehr!“

    Und siehe da – offenbar hatte der Himmel ein offenes Ohr für erschöpfte Einsiedler: Genau an der Stelle, wo der Krug zerbrach, sprudelte plötzlich eine Quelle aus dem Fels. Seitdem nennt man sie das Steinsbörnchen.

    Einhart war begeistert – Wasser direkt vor der Hüttentür! Und das Beste: Die Leute aus der Umgebung behaupteten, das Quellwasser sei heilsam. Kein Wunder, dass bald nicht nur Pilger kamen, um zu trinken und zu beten.

    Wer das echte Steinsbörnchen heute sucht, muss hoch hinaus – den felsigen Rundweg entlang.

    Und Achtung: weiter unten gibt’s noch eine zweite Quelle. Sie sieht nett aus, ist aber nur der Doppelgänger. Mag nass sein, aber nicht magisch.

    Viele Redewendungen, die wir heute ganz selbstverständlich benutzen, haben ihre Wurzeln tief im Mittelalter – oft ohne dass wir noch wissen, was eigentlich dahintersteckt.

    Auf Burg Altena gibt’s dazu eine eigene Ausstellung im Museum – und die lohnt sich! Denn plötzlich bekommen Sprichwörter eine ganz neue Bedeutung.

    Nehmen wir zum Beispiel: „den Löffel abgeben“ – eine Redensart, die wir heute mit dem Tod verbinden.

    Aber warum eigentlich ein Löffel?

    Nun, im Mittelalter war ein Löffel kein Küchenutensil wie heute – er war persönlicher Besitz, fast schon ein Statussymbol. Wer einen eigenen Löffel hatte, trug ihn oft bei sich.

    Gerade in einfachen Haushalten hatte jeder genau einen Löffel – seinen eigenen. Er war so individuell wie Kleidung oder Bettzeug. Und wenn jemand starb, wurde dieser Löffel an die Familie oder Erben weitergegeben.

    Das „Löffel abgeben“ war also wörtlich gemeint – der Besitzer brauchte ihn nicht mehr. Und so wurde daraus eine Formulierung für den letzten Abschied, die sich bis heute gehalten hat.

    Also: Das nächste Mal, wenn du sagst, jemand habe den Löffel abgegeben – denk daran: Du sprichst über ein echtes Stück Alltagsgeschichte.

    Also – nicht lange um den heißen Brei reden: Die Ausstellung ist ein echter Geheimtipp für Sprachliebhaber, Geschichtsfreunde und alle, die bei Sprichwörtern gern mal genauer hinhören!

    Burg Altena thront seit dem 12. Jahrhundert hoch über dem Lennetal. Sie blickt nicht nur auf ein weites Panorama, sondern auch auf eine Geschichte voller Macht, Intrigen, Kriege und Wiederaufbau.

    Die Burg gilt als herausragendes Beispiel des hochmittelalterlichen Burgenbaus in Westfalen. Gleichzeitig war sie ein zentraler Ort in der politischen Entwicklung der Region.

    Erbaut wurde sie von den Grafen von Berg. Deren Stammsitz lag ursprünglich im Rheinland. Doch sie wollten ihren Einfluss nach Osten ausdehnen – ins Sauerland. Eine Region, die wirtschaftlich attraktiv war: mit Eisenerz, wichtigen Handelswegen und reichlich Wasser.

    Graf Adolf I. von Berg ließ die Burg zwischen 1108 und 1114 errichten. Wahrscheinlich diente sie zunächst als Wehranlage und Verwaltungssitz.

    Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1167. Ihre Geschichte aber beginnt früher – als Teil eines machtpolitischen Ringens zwischen Köln, dem Bergischen Land und dem märkischen Sauerland.

    Nach dem Tod von Eberhard I. von Berg wurde sein Besitz unter den Söhnen aufgeteilt. Es entstanden zwei Linien: Altena-Isenberg und Altena-Mark. Burg Altena war das Zentrum der Isenberger Linie.

    Diese Teilung führte zu Spannungen innerhalb der Familie. Und sie machte die Region anfällig für äußere Eingriffe.

    Es ist der 13. November 1226. In Köln hat sich eine große Menschenmenge versammelt. Neugierig, gespannt, manche erschrocken. Denn heute wird ein Mann sterben – auf grausame, öffentliche Weise. Und nicht irgendeiner. Friedrich von Isenberg, ein Graf, ein Herrscher, ein Hochadeliger – und ein Mörder.

    Friedrich wurde einst auf Burg Altena geboren, als Teil des mächtigen Grafenhauses. Er war Verwandter des Erzbischofs von Köln, Engelbert I. von Berg – und zugleich sein erbitterter Gegner. Denn Friedrich wollte mehr Einfluss, mehr Rechte über kirchliche Besitzungen. Der Streit eskalierte. Und endete im Hinterhalt.

    Am 7. November 1225 überfiel Friedrich mit seinen Gefolgsleuten die Reisegesellschaft des Erzbischofs nahe Gevelsberg. Engelbert wurde brutal erschlagen – ein politischer Mord, ein Tabubruch in einer Welt, die stark zwischen weltlicher und geistlicher Macht unterschied.

    Friedrich flieht. Erst nach Thüringen, dann weiter bis nach Frankreich. Doch im Mai 1226 wird er gefasst. Der König verweigert ihm Schutz. Friedrich wird an Köln ausgeliefert. Das Urteil: öffentliche Hinrichtung durch das Rad – eine der grausamsten Strafen der Zeit.

    Für viele ist es ein Schock. Denn es ist das erste Mal, dass ein Reichsgraf öffentlich gerädert wird – ein Zeichen, dass selbst die höchsten Herren nicht unantastbar sind.

    Mit Friedrich stirbt auch seine Linie. Die Isenberger verlieren ihre Güter, ihre Macht, ihre Rolle in der Geschichte. Burg Altena fällt an seinen Vetter Adolf I. von der Mark – und wird der neue Sitz einer aufstrebenden Dynastie: der Grafen von der Mark.

    Unter den Grafen von der Mark wurde Altena zu einer wichtigen Schaltzentrale. Verwaltung, Wirtschaft, Macht – alles lief hier zusammen.

    Die Grafschaft Mark wuchs rasch. Sie wurde fortan von Hamm aus regiert. Ihr Gebiet umfasste bald große Teile des heutigen südlichen Ruhrgebiets und des Sauerlands.

    Die Grafschaft war kein kleines Fürstentum mehr. Sie wurde zu einem ernstzunehmenden Gegenspieler. Vor allem gegenüber den Erzbischöfen von Köln, die in der Region ebenfalls große Macht beanspruchten.

    Im 14. Jahrhundert kam es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen. Es ging um Grenzen, um Einfluss – und manchmal einfach um Rache. Burgen wurden zerstört, Dörfer geplündert. Die Bündnisse wechselten häufig.

    Die Grafen von der Mark agierten klug und flexibel. Mal verbündeten sie sich mit dem Kölner Erzbischof gegen Arnsberg. Dann wieder mit dem König – gegen Köln. Es war ein Spiel um Macht. Und um kluge Allianzen.

    Auch die Grafschaft Arnsberg war ein direkter Nachbar. Und ein ständiger Rivale. Die Nähe von Burg Altena zu Arnsberg wurde dort als klare Provokation gesehen.

    Mit der Zeit änderte sich die Rolle der Burg. Im späten Mittelalter verlor sie an Bedeutung als Residenz. Hamm und Iserlohn wurden zu den neuen Verwaltungszentren.

    Wer heute durchs Lennetal fährt, vorbei an einem metallverarbeitenden Betrieb nach dem anderen, ahnt kaum, dass diese industrielle Erfolgsgeschichte nicht erst mit der Moderne begann, sondern ihre Wurzeln bis ins 10. und 11. Jahrhundert zurückreichen.

    Damals legte das Lennetal den Grundstein für das, was später zu einem der bedeutendsten Eisenreviere Westfalens werden sollte. Hier, wo sich die Lenne durch schmale Täler windet und das Wasser mit Kraft die Hänge hinabstürzt, begann im Mittelalter eine Geschichte aus Feuer, Wasser und Eisen – und sie hat die Region bis heute geprägt.

    Die Grundlage des regionalen Reichtums war das Eisenerz, das man in der Umgebung – etwa in der Nähe von Altena, Nachrodt oder Werdohl – direkt im Tagebau abbauen konnte. Oft handelte es sich um sogenannten Brauneisenstein, der mit einfachen Mitteln gewonnen wurde.

    Verhüttet wurde das Erz in Rennöfen – frühen Schmelzöfen, bei denen das Eisen bei Temperaturen unterhalb seines Schmelzpunktes reduziert wurde. Das Ergebnis war ein schwammartiger Eisenklumpen, die sogenannte Luppe, die durch Schmieden von Schlacke gereinigt wurde.

    Entscheidend für den Standort war dabei das Wasser: Die Lenne und ihre Nebenflüsse lieferten die Antriebskraft für Blasebälge und Hammerwerke – und damit für die gesamte Verhüttung und Weiterverarbeitung.

    Was im Hochofen begann, fand seine Fortsetzung in zahlreichen Hammerwerken und Schmieden. Aus dem gewonnenen Roheisen wurden Werkzeuge, Nägel, Waffen – und vor allem Draht.

    Die Drahtherstellung entwickelte sich ab dem 15. Jahrhundert zu einem Spezialgebiet des Lennetals. Altena war bald so bekannt für seinen Draht, dass der Begriff „Altenaer Draht“ europaweit als Qualitätsbegriff galt.

    Der Herstellungsprozess war aufwendig: Das Eisen wurde geschmiedet, zu Stäben gezogen und dann durch sogenannte Zieheisen gedrückt – Lochplatten aus gehärtetem Stahl, mit immer kleiner werdenden Öffnungen. Dabei wurde der Draht dünner und länger – oft mehrere Meter, gezogen in reiner Muskel- oder Wasserkraft.

    Mit der Industrialisierung ab dem frühen 19. Jahrhundert explodierte die Produktion förmlich. Aus kleinen Schmieden wurden Fabriken, aus Wasserrädern wurden Dampfmaschinen – und später Elektromotoren. Die Region wurde zu einem der wichtigsten Zentren für Drahtwaren aller Art: Stacheldraht, Klaviersaiten, Nadeln, Federn, sogar Ketten.

    Viele der alten Produktionsstätten sind heute verschwunden oder stillgelegt – aber das Erbe lebt weiter: Im Deutschen Drahtmuseum auf Burg Altena wird die Geschichte der Region lebendig. Besucher können dort historische Ziehmaschinen bestaunen, Draht selbst ausprobieren und begreifen, wie viel Handwerk, Schweiß und Können hinter einem scheinbar einfachen Produkt wie Draht steckt.

    Und wer durch die Orte im Lennetal fährt, erkennt: Hinter jeder alten Fabrikhalle, jedem Hammerwerk und jedem Wasserrad steckt eine Geschichte – aus Eisen gemacht.

    Wenn man heute durch die alten Gemäuer von Burg Altena geht, denkt man vielleicht zuerst an Ritterrüstungen, Schwertkämpfe und dicke Mauern – aber es gibt auch eine ganz andere Geschichte, die hier oben geschrieben wurde: eine ziemlich moderne, die weltweit Schule gemacht hat.

    Denn auf Burg Altena wurde die erste Jugendherberge der Welt eröffnet – und das schon 1914. Was heute ganz selbstverständlich klingt – bezahlbar übernachten, Gemeinschaft erleben, Bildung durch Begegnung – war damals eine echte Pionieridee.

    Ein Lehrer namens Richard Schirrmann hatte genug von stickigen Klassenräumen und wollte seine Schüler raus in die Natur bringen – mit Schlafsack, Wanderschuhen und einer Portion Abenteuergeist. Und wo ginge das besser als auf einer echten Ritterburg?

    Die Idee war so erfolgreich, dass daraus eine weltweite Bewegung wurde. Heute gibt es in über 80 Ländern Jugendherbergen – aber die allererste war hier, auf diesem Felsen.

    Und ja, man kann auch heute noch in der Burg übernachten – stilecht, aber mit warmem Wasser und WLAN. Die Zimmer sind schlicht, aber charmant – und wenn man morgens aus dem Fenster schaut, hat man den Burghof ganz für sich. Ritterfrühstück inklusive.

    Eine Burg zwischen Macht, Mythos und Moderne

    Burg Altena ist mehr als nur ein steinernes Relikt: Sie erzählt die Geschichte einer Region, die über Jahrhunderte hinweg zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft, zwischen Dynastien, Revierkämpfen und wirtschaftlichem Aufschwung stand.

    Vom Adelskonflikt zur Preußenburg, vom Gerichtsort zur Jugendherberge – diese Höhenburg hat so viele Gesichter wie Jahreszahlen in ihrer Geschichte.

  • Ruine Weidelsburg

    Transskript zum Podcast Ruine Weidelsburg

    Vor dir liegt das sanfte Hügelland Nordhessens. Die Wälder wirken wie ein tiefgrünes, endloses Meer. In der Ferne gehen sie in Hügel und offene Felder über. Je nach Tageszeit tanzen Sonnenstrahlen über den Baumwipfeln. Oder Nebel hüllt die Täler in geheimnisvolles Grau.

    Von der Burg hast du einen beeindruckenden Blick nach Osten. Direkt darunter liegt das kleine Dorf Ippinghausen. Es schmiegt sich in ein idyllisches Flusstal. Weiter östlich breitet sich die Stadt Wolfhagen aus. Ihre markanten Bauwerke und Dächer sind gut zu erkennen. Am Horizont ragt der Dörnberg empor. Mit fast 600 Metern prägt er die Landschaft des Habichtwalds.

    Ich stehe an der Weidelsburg, der größten Burgruine Nordhessens. Gelegen im Landkreis Kassel, nahe der Stadt Wolfhagen.

    Die Weidelsburg thront auf einem Basaltkegel und markierte einst die Grenze zwischen den Landgrafen von Hessen und den Erzbischöfen von Mainz. Erstmals Anfang des 12. Jahrhunderts erwähnt, schützte sie die hessischen Ländereien und das Wolfhagener Land. Zudem sicherte sie die wichtigen Handelswege zwischen Frankfurt und Bremen.

    Die Geschichte der Besitzer der wichtigen Burg war chaotisch.

    Zunächst im Besitz der Grafen von Naumburg, dann an Mainz verkauft, von den Hessen zerstört, dann von Mainz an Hessen abgetreten. Durch den hessischen Landgrafen und den Grafen von Waldeck wieder aufgebaut.

    Der Wiederaufbau wurde dann, nach Protest der Mainzer, gestoppt. Schließlich wieder im Besitz der Mainzer.

    Und anschließend… du wirst es erraten… wieder an die Hessen.

    In der Region spielten drei wichtige Mächte eine Rolle:

    Zuerst die Landgrafschaft Hessen: Landgraf Hermann II., genannt „der Gelehrte“, regierte von 1376 bis 1413. In seiner Zeit gab es Streit im Land, aber auch Gebietsgewinne. Hermann wollte Hessen stärker und einflussreicher machen.

    Dann das Erzbistum Mainz: Als wichtige Kirche und Herrschaft war Mainz oft ein Gegner von Hessen. Beide wollten in der Region das Sagen haben. Das führte immer wieder zu Streit und Kämpfen.

    Und die Grafschaft Waldeck: Dieses kleine Gebiet lag nördlich der Weidelsburg. Waldeck geriet oft zwischen die Fronten von Hessen und Mainz. Die Grafen mussten klug handeln, um unabhängig zu bleiben.
    Von 1427 bis 1433 kam es zum offenen Kampf: dem Mainzisch-Hessischen Krieg.
    Diese Machtkämpfe haben die Region bis heute geprägt!

    „Herr von Dalwigk, die Mauern wachsen schnell. Wenn der Winter gnädig ist, haben wir die erste Wehrmauer bis zum Herbst hochgezogen.“

    „Schneller! Unser Landesherr duldet keinen Aufschub. Wenn wir die Grenze halten wollen, müssen diese Mauern Feinde fernhalten. Ich will sie stark genug, um einen Rammbock abzuhalten!“

    „Doch die Männer klagen über zu wenig Brot…“

    „Dann back mehr! Du denkst, die Mainzer warten, bis wir satt sind? Los, an die Arbeit!“

    So oder so ähnlich mag es geklungen haben, als um 1380 die Weidelsburg wuchs.

    Harte Zeiten, harte Männer – und ein Wettlauf gegen drohende Fehden.

    Damals entstand die Grundstruktur, wie wir sie heute noch vorfinden: Zwei Haupttürme, Ringmauern und Wirtschaftsgebäuden.

    Wie lief eigentlich ein Angriff auf eine Burg damals ab?

    Versetzen wir uns zurück ins Jahr 1402.
    Ein Angriff im Krieg zwischen Hessen und Mainz

    Es war ein kalter Morgen im Herbst des Jahres 1402, als sich die Truppen des Erzbistums Mainz unter der Führung von Erzbischof Johann II. vor der Weidelsburg sammelten. Der Krieg zwischen Hessen und Mainz war in vollem Gange, und die Weidelsburg, ein wichtiger strategischer Stützpunkt im nordhessischen Land, war zum Ziel der Mainzer geworden.

    Auf den umliegenden Feldern lagerte ein Heer von über 600 Mann. Neben Rittern und Knechten waren zahlreiche Steinhauer und Artilleristen dabei, die eine Neuheit in der Kriegsführung mit sich führten: Steinbüchsen – frühe Kanonen, die schwere Steinkugeln verschießen konnten. Diese Waffen, auf gewaltigen Balkenkonstruktionen montiert und mit Ochsen zur Burg gezogen, sollten die massiven Mauern erschüttern. Neben den Kanonen standen auch traditionelle Waffen bereit: Armbrüste, Langbogen, Hellebarden, Schwerter und Schilde.

    Erster Tag der Belagerung: Aufstellung und Einschüchterung

    Der Angriff begann mit einer Machtdemonstration. Trompeten erklangen, und das Heerlager stellte sich in Formation. Erzbischof Johann ließ eine Kapitulation fordern. Doch Ritter Heinrich von Falkenberg, Burgherr der Weidelsburg, lehnte ab: „Diese Mauern sind stark, unser Mut stärker. Wir geben nicht kampflos auf!“

    Die Mainzer begannen daraufhin mit dem Beschuss. Steinbüchsen feuerten mit dumpfem Knall ihre schweren Steinkugeln gegen die Ringmauer. Staub und Steinbrocken flogen durch die Luft, doch die Mauern hielten zunächst stand. Die Verteidiger antworteten mit Armbrustsalven und Steinen, die von den Zinnen herabgeworfen wurden.

    Zweiter und Dritter Tag: Feuer und Eisen

    Am zweiten Tag wechselten die Angreifer ihre Taktik. Mit Brandgeschossen, gefüllt mit Pech und Schwefel, versuchten sie, die hölzernen Wehrgänge und Fachwerkbauten innerhalb der Burg in Brand zu setzen. Bald loderten Flammen in der Vorburg, dichter Rauch zog über die Mauern. Doch die Burgbewohner, vorbereitet auf solche Angriffe, hatten Wassergruben und Sand bereitgestellt. Unter der Leitung von Falkenbergs Frau, Margarete, löschten Frauen und Kinder die Brände tapfer.

    Die Mainzer setzten ihre Steinbüchsen weiter ein. Eine Steinkugel traf den Turm an der Nordseite, ließ Mauersteine herabstürzen und riss eine Bresche. Sofort befahl Falkenberg, die Lücke mit Fässern und Holzbalken zu verstärken. Von den Schlüsselschießscharten aus feuerten Verteidiger mit Hakenbüchsen auf die Angreifer. Diese frühen Handfeuerwaffen durchschlugen die leichten Rüstungen vieler Feinde, auch wenn ihr Nachladen langsam war.

    Vierter Tag: Unterminierung und Gegenwehr

    Die Mainzer begannen, einen Tunnel unter die Mauer zu graben. Doch die Burgbewohner hörten das Klopfen unter der Erde. Falkenberg ließ einen Gegenstollen graben. Als sich die Gänge trafen, kam es zu einem unterirdischen Handgemenge. Mit Wasser, Urin und brennenden Stoffen versuchten die Verteidiger, die Feinde zu vertreiben. Schließlich stürzte der Tunnel ein – auf beiden Seiten forderte dies Opfer.

    Fünfter Tag: Letzter Sturm und Rückzug

    Nach fünf Tagen heftiger Belagerung, brennender Gebäude und zahlloser Steinwürfe waren die Vorräte in der Burg knapp. Angst vor Seuchen machte sich breit, da tote Pferde und verwundete Männer kaum versorgt werden konnten. Doch auch die Angreifer waren erschöpft. Ihre Steinkugeln gingen zur Neige, und die Verluste durch Verteidigungsmaßnahmen waren hoch.

    Am Morgen des sechsten Tages befahl Erzbischof Johann den letzten Sturm. Leitern wurden angelegt, und unter dem Schutz von Schilden stürmten die Mainzer Männer heran.

    Doch heißes Öl, herabgeschütteter ungelöschter Kalk und ein letztes Aufgebot von Armbrustschützen wehrten sie ab. Die Verluste der Angreifer waren hoch, der Erfolg blieb aus.

    Am Abend zog sich das Heer des Erzbistums zurück. Die Weidelsburg war schwer beschädigt, Rauch stieg aus verkohlten Balken, doch sie war nicht gefallen. Ritter Falkenberg stand mit blutverschmiertem Wams auf der Mauer. „Wir leben noch. Und solange wir stehen, fällt diese Burg nicht.“

    Nach der Belagerung wurden die Schäden begutachtet. Große Teile der Wehrgänge waren verbrannt, Mauerpartien eingestürzt. Doch die Verteidiger hatten wertvolle Zeit gewonnen. In den folgenden Jahren wurde die Burg zu einer wehrhaften Festung ausgebaut – mit stärkeren Mauern, neuen Schießscharten und besseren Verteidigungsanlagen.

    Der Angriff war ein Beweis dafür, wie sich die Kriegsführung im Mittelalter wandelte – von Schwert und Schild zu Feuer und Pulver. Doch trotz aller neuen Waffen blieb der Mut der Verteidiger oft entscheidend.

    Von einem anderen Kampf erzählt noch heute die Sage der „Weibertreue“.

    „Mein Liebster… der Landgraf lässt uns wählen: Entweder wir ergeben uns, oder sie brennen alles nieder.“

    „Ergeben? Niemals… Aber ich kann nicht mehr kämpfen, Agnes. Es ist vorbei.“

    „Dann werde ich dich retten. Sie erlauben uns Frauen den freien Abzug mit dem, was wir tragen können. Du bist, was ich am meisten liebe.“

    „Agnes, du kannst mich nicht… Das ist Wahnsinn!“

    „Still! Lehn dich auf meine Schultern.“ (Keuchend stemmt sie ihn auf den Rücken)

    Reinhard von Dalwigk hatte zu hoch gepokert. Als Amtmann auf der Weidelsburg sollte seine Treue dem Erzbistum Mainz gelten, dem die Burg inzwischen gehörte. Doch er verfolgte vor allem eigene Interessen. Die Lehnsherren verloren das Vertrauen in ihn. Von Dalwigk plünderte Dörfer sowohl des hessischen Landesherren als auch des Mainzer Erzbischofs. Reinhard war inzwischen als „Schrecken des Hessenlandes“ bekannt.

    Schließlich war das Maß voll. Mainz und Hessen schmiedeten eine Allianz gegen ihn. 1448 standen dann die Truppen des Landgrafen Ludwig von Hessen vor der Burg.

    Die Lage der Burg war aussichtslos, die Vorräte neigten sich dem Ende zu, und die Verteidiger wussten, dass die Mauern nicht ewig standhalten würden.

    Doch Landgraf Ludwig zeigte eine ungewöhnliche Gnade: Er gewährte den Frauen der Burg freien Abzug. Sie durften mitnehmen, was ihnen am wertvollsten war. Was wie eine barmherzige Geste wirkte, wurde zur Grundlage einer bis heute erzählten Sage der „Weibertreue“.

    Die Frauen, allen voran Agnes von Dalwigk, fassten einen mutigen Entschluss. Anstatt Wertgegenstände zu tragen, hoben sie ihre Ehemänner und Väter auf die Schultern und trugen sie hinaus in die Freiheit.

    Diese unerwartete Wendung erstaunte nicht nur die Belagerer, sondern rührte auch Landgraf Ludwig. Beeindruckt von der Loyalität und dem Einfallsreichtum der Frauen, hielt er sein Versprechen und ließ sie ziehen. So wurden durch Mut und Liebe Leben gerettet, wo Schwerter versagt hätten.

    Ob es sich 1448 so zugetragen hat? Wer weiß.

    Aber diese Geschichte der Weibertreue wurde Teil der Legende der Weidelsburg – ein Zeichen von Liebe und List.

    Ab dem 15. und 16. Jahrhundert veränderten sich die militärischen und gesellschaftlichen Anforderungen in Europa grundlegend, was auch Auswirkungen auf Burgen wie die Weidelsburg hatte.

    Diese Veränderungen führten dazu, dass viele Burgen ihre ursprüngliche Schutzfunktion verloren und zunehmend verfielen oder zu Wohnschlössern umgebaut wurden.

    Mit dem Einsatz von Feuerwaffen und Belagerungsgeschützen waren dicke Burgmauern nicht mehr unüberwindbar.

    Auch die Weidelsburg konnte dem Artilleriebeschuss nicht standhalten und verlor an strategischer Bedeutung.

    Die Macht verlagerte sich von lokalen Fürsten zu stärkeren Monarchien und zentralisierten Herrschaften.

    Fehden zwischen Adelsfamilien wurden seltener, wodurch der Bedarf an Wehrburgen sank.

    Als Grenzfestung zwischen dem Landgrafentum Hessen und dem Erzbistum Mainz verlor sie mit dem Rückgang der Territorialkonflikte ihre Bedeutung.

    Der Adel zog in repräsentative Schlösser um, die Bequemlichkeit und Prunk boten.
    Große Säle, prächtige Gärten und dekorative Fassaden waren wichtiger als militärischer Schutz.

    Sie wurde nicht zu einem Schloss umgebaut und verfiel zunehmend, da ihre Verteidigungsfunktion überholt war.

    Viele Burgen wurden abgetragen oder in Renaissanceschlösser umgewandelt.
    Die Weidelsburg blieb hingegen eine Ruine und wurde nicht modernisiert.

    Auch wenn die Burg im 16. Jahrhundert ihre Verteidigungsfunktion verloren hatte, spielte sie im Dreißigjährigen Krieg noch eine Rolle als Zufluchtsort, bevor sie endgültig verfiel.

    „Sieh nur, wie der Putz von den Wänden bröckelt… Einst hielten hier Ritter Hof.“

    „Jetzt? Nur Ratten und Geister. Hm… vielleicht kann ich die Steine verkaufen.“

    „Verkaufen? Dies ist ein Ort voller Geschichte! Hier wurde Blut vergossen, Eide geschworen…“

    „Eide? Die Leute wollen heute Münzen, keine Märchen.“

    Nach Jahrhunderten des Glanzes geriet die Weidelsburg in Vergessenheit. Steine wurden geraubt, Dächer stürzten ein – doch die Legenden lebten weiter. Noch heute findest du ihre Steine in Gebäuden der umliegenden Orte.

    Rund um die Burg ist der „Eco Pfad Archäologie“ entstanden. Eine spannende Zeitreise ins Mittelalter. Auf dem Weg erklären Infotafeln anschaulich das Leben vergangener Zeiten. Du kannst zwischen einer kürzeren Tour durch Naumburg oder einer längeren Wanderung zur Weidelsburg wählen.

  • Schloss Arolsen

    Transskript zum Podcast Schloss Arolsen

    In dieser Folge tauchen wir in die Geschichte eines beeindruckenden Bauwerks ein: Schloss Arolsen.

    Ein Ort mit königlichen Verbindungen, unerwarteten Gästen und einer Geschichte, die weit über die Region hinausreicht.

    Doch was genau hat es mit dem Besuch von Königin Beatrix auf sich? Bleibt dran, um es herauszufinden!

    Schloss Arolsen, Winter 1878

    Dienerschaft und Hofdamen flüstern in den langen Gängen, während draußen eine königliche Kutsche über den verschneiten Hof rollt. König Wilhelm III. von den Niederlanden ist angekommen, um Prinzessin Emma zu treffen…

    Ich sag’s euch. Der Mann ist ein Lebemann. Ein Wüüstling! Hast du gehört, was sie in Denn Haag über ihn erzählen? Skandahle ohne Ende!

    Aber er ist doch ein richtiger König! Und so mächtig! Ist das nicht ein Glück für unsere Prinzessin?

    Glück? Ha! Der Mann ist fast sechzig! Und Emma ist doch noch ein Mädchen!

    Still jetzt, da kommt sie!

    Die Kutsche vor dem Schloss hält. König Wilhelm III. steigt aus – ein Mann mit weißem Bart, schwerem Mantel und wachem Blick. Die Dienerschaft verstummt. Emma verbeugt sich. Der König lächelt. Und ein neues Kapitel beginnt.

    Willkommen zum Podcast „Burgen und Schlösser in Deutschland“.

    Ich bin Gunter und habe in den letzten 20 Jahren rund 2.500 Burgen, Schlösser und Ruinen in ganz Deutschland besucht und fotografiert.

    Begleite mich auf eine Reise zu meinen persönlichen Lieblingsorten!

    Unser Spaziergang beginnt an der evangelischen Stadtkirche – dem Herzen der Altstadt.

    Von hier aus tauchen wir ein in die besondere Atmosphäre dieser barocken Residenzstadt.

    Der Stadtgrundriss wurde im Zuge des Schlossneubaus als harmonisches Barockensemble geplant.

    Bad Arolsen war von 1655 bis 1918 die Residenzstadt der Grafen und Fürsten von Waldeck-Pyrmont und später Hauptstadt des Freistaates Waldeck.

    Wir folgen der Schlossstraße – einer Prachtachse, die noch heute den Charakter der Residenzstadt bewahrt. Links und rechts reihen sich die einst für Hofbeamte errichteten Wohnhäuser aneinander – zweigeschossige Einzelhäuser, die den barocken Charme des Ortes unterstreichen.

    1711 wurde Graf Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck in den Reichsfürstenstand erhoben. Zur Feier ließ er das alte Renaissanceschloss in Arolsen durch ein barockes Prachtbauwerk ersetzen.

    Der Abriss begann bereits 1710. Inspiriert von Versailles beauftragte der Fürst den Baumeister Julius Ludwig Rothweil. So entstand eine imposante dreiflügelige Anlage im Barockstil.

    Am 13. September 1720 zog das Fürstenpaar feierlich in den noch unvollendeten Bau ein. Wegen Geldmangel dauerten die Arbeiten fast ein Jahrhundert. Erst um 1810, unter Fürst Friedrich, wurden das Treppenhaus und der Weiße Saal fertiggestellt.

    Besonders beeindruckend sind die italienischen Deckengemälde und die feinen Stuckarbeiten. Der Ostflügel verdankt seine Pracht der kunstsinnigen Fürstin. Sie förderte eine bedeutende Bibliothek, ein bekanntes Naturalienkabinett und sorgte für die musische Bildung ihrer Söhne.

    Der Schlossbau belastete die Staatsfinanzen des kleinen Fürstentums stark. Nach der Gründung des Deutschen Bundes war Waldeck so verschuldet, dass es die Beiträge nicht mehr zahlen konnte.

    Ein sichtbares Zeichen der finanziellen Not der Fürsten von Waldeck-Pyrmont ist der Marschallbau am Arolser Schloss.

    Ursprünglich als repräsentativer Flügel geplant, blieb er aufgrund knapper Kassen unvollendet.

    Statt der geplanten aufwendigen Gestaltung wurde nur ein schlichter Bau fertiggestellt. Der finanzielle Druck zwang das Fürstenhaus, an vielen Stellen zu sparen – und der unfertige Marschallbau ist ein bis heute sichtbares Zeugnis dieser Geldnot.

    Exzellenz, dieser Brief ist soeben aus Kassel eingetroffen. Napoleon fordert die Unterstützung des Fürstentums Waldeck.

    Wenn ich ihm gehorche, sind wir verloren. Doch verweigere ich, könnte das Schloss von seinen Truppen besetzt werden.

    Vielleicht wäre es klug, abzuwarten?

    Die politischen Wirren der napoleonischen Kriege stellten das Fürstentum vor schwere Entscheidungen.

    Um seine Eigenständigkeit zu bewahren, schloss sich Waldeck im Jahr 1806 dem Rheinbund an – einem Bündnis unter Napoleons Führung.

    Doch dieser Schritt hatte seinen Preis: Waldeck musste Truppen für Napoleons Kriege bereitstellen.

    Besonders tragisch war der Einsatz der waldeckschen Soldaten im Russlandfeldzug von 1812. Viele zogen in Richtung Moskau, doch nur wenige kehrten aus dem verheerenden Rückzug lebend zurück.

    Mit Napoleons Niederlage und der Auflösung des Rheinbundes im Jahr 1813 gewann Waldeck schließlich seine Unabhängigkeit zurück.

    Das Fürstentum Waldeck und Pyrmont war einer der kleinsten Staaten im Deutschen Kaiserreich. Es lag zwischen Kassel, Marburg und Paderborn. Wichtige Städte waren die Hauptstadt Arolsen, Bad Wildungen und Pyrmont.

    Die Fürsten von Waldeck stammten aus dem Haus Schwalenberg, das ab dem späten 12. Jahrhundert als Waldeck bekannt war. 1631 kam Pyrmont hinzu. Im Mittelalter wechselten die Gebietsgrenzen oft.

    1866 stellte sich Waldeck-Pyrmont auf die Seite Preußens. Es trat dem Norddeutschen Bund und später dem Deutschen Reich bei. Zur Reichsgründung regierte Fürst Georg Viktor, ein konservativer Herrscher.

    Eine Eingliederung in Preußen stand im Raum, doch Bismarck lehnte ab – aus Rücksicht auf die kleineren Staaten. Dennoch übernahm Preußen später die Verwaltung. Für das hochverschuldete Fürstentum war das ein rettender Schritt. Denn Preußen trug nun die Verwaltungskosten und setzte einen Landesdirektor ein.

    Emma zu Waldeck und Pyrmont – die berühmteste Bewohnerin von Schloss Arolsen – wurde 1879 Königin der Niederlande.

    Ihre Ehe mit König Wilhelm III. war weniger romantisch, sondern vor allem politisch motiviert.

    Nach dem Tod seiner ersten Frau brauchte Wilhelm dringend einen Erben. Doch in Europa war er wegen seines exzentrischen Rufs wenig beliebt. Mehrere Heiratsanträge wurden abgelehnt. Schließlich vermittelte seine Schwägerin, Kaiserin Augusta, ein Treffen mit Emma.

    Trotz 41 Jahren Altersunterschied überzeugte Emma mit Intelligenz und Bescheidenheit. Am 7. Januar 1879 verlobten sie sich – am selben Tag wurde in Arolsen Hochzeit gefeiert.

    Emma überraschte viele: Als Königin war sie klug, diplomatisch und ordnete Wilhelms chaotisches Leben. Nach seinem Tod wurde sie eine der bedeutendsten Regenten der Niederlande – und ihre Ehe galt als erstaunlich stabil.

    2008 besuchte die damalige Königin Beatrix der Niederlande Schloss Arolsen. Ihre Urgroßmutter war Königin Emma. Der Besuch war ein Zeichen der Verbundenheit mit ihrer deutschen Herkunft und den historischen Beziehungen zwischen den Niederlanden und Waldeck.

    Mit 21 Jahren war Emma die jüngste Königin in der Geschichte der Niederlande – und zugleich die erste weibliche Regentin.

    Sie beeindruckte das Volk durch ihre Bescheidenheit und Warmherzigkeit und wurde schnell zur „Königin der Herzen“.
    Ihr Einsatz für das Land brachte ihr den inoffiziellen Titel „Mutter des Vaterlandes“ ein.

    Das Schloss Arolsen ist teilweise noch von der fürstlichen Familie bewohnt, kann aber im Rahmen von Führungen besichtigt werden.

    Ein Besuch nimmt Dich mit auf eine Reise durch prachtvolle Räume und eindrucksvolle Kunstwerke.

    Im Steinernen Saal erwarten Dich barocke Stuckarbeiten und beeindruckende Deckengemälde.

    Das Treppenhaus erzählt mit mythologischen Szenen, Büsten und Skulpturen von vergangenen Zeiten.

    Im Weißen Saal siehst Du Familienporträts berühmter Maler wie Tischbein, während Dich der Musiksalon mit seinen Gemälden und der historischen Atmosphäre begeistert.

    Der Empire-Salon zeigt edle Möbel und Kunst aus fürstlichem Besitz.

    Das Blaue Schlafzimmer gibt Dir Einblicke in das Leben von Königin Emma und ihrer Familie – das goldene Prunkbett ist ein echter Hingucker.

    Im Kronprinzenzimmer entdeckst Du eine festlich gedeckte Tafel und Portraits bedeutender Persönlichkeiten.

    Ein besonderes Highlight ist die Alhambra, ein Hochzeitsgeschenk an Prinzessin Helene von Nassau.

    Zum Abschluss lädt Dich das Spielzimmer mit historischen Spielsachen und einer Babywiege dazu ein, in die Kindheit vergangener Jahrhunderte einzutauchen.

    Hier sind die Namen der vermissten Personen. Wir müssen sie so schnell wie möglich katalogisieren.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Schloss Arolsen zum Sitz des Internationalen Suchdienstes, der nach verschollenen Kriegsopfern und NS-Opfern suchte. Tausende Schicksale wurden hier rekonstruiert.

    Heute befindet sich das Archiv zwar nicht mehr im Schloss, ist aber in Bad Arolsen geblieben.

    Mit 30 Millionen Dokumenten und Hinweisen zu etwa 17 Millionen Menschen ist es das weltweit größte Archiv.

    Schloss Arolsen hat viele Gesichter gesehen – prunkvolle Bälle, dunkle Zeiten der Geschichte und bewegende Momente der Hoffnung.

    Noch heute beeindruckt es mit seiner barocken Architektur und seinen Geschichten.

    Vielleicht wagst du selbst einmal einen Besuch – wer weiß, welche Geheimnisse Du dort entdecken wirst?