Die Vielzahl an sogenannten Tucherschlössern (z.B. Tucherschloss Nürnberg) hat ihren Ursprung in der Geschichte und dem Einfluss der Patrizierfamilie Tucher von Simmelsdorf, einer der bedeutendsten Familien im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Nürnberg. Hier ist eine detaillierte Erklärung:
Herkunft und Bedeutung der Familie Tucher
Die Tucher waren eine reiche und einflussreiche Kaufmannsfamilie, die im 14. bis 17. Jahrhundert besonders in Nürnberg großen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Einfluss ausübte. Ihr Reichtum stammte vor allem aus dem Fernhandel (u.a. mit Venedig, Antwerpen und Lyon), später auch aus Bergbau und Finanzgeschäften.

Warum mehrere Schlösser?
Es gibt mehrere sogenannte „Tucherschlösser“ aus den folgenden Gründen:
1. Verschiedene Besitzungen durch Zweige der Familie
Die Familie teilte sich in mehrere Linien auf, die eigene Güter und Landsitze außerhalb Nürnbergs erwarben. Jeder Zweig konnte ein eigenes Schloss oder Herrensitz unter dem Namen „Tucherschloss“ bewohnen oder erbauen.
2. Repräsentation des Standes
Als Teil des Nürnberger Patriziats (vergleichbar mit Adel), errichteten die Tucher mehrere Stadthäuser und Landsitze, um ihren Reichtum und Status zu demonstrieren.
3. Vererbung und Familienpolitik
Bei Erbteilungen wurden Güter oft aufgeteilt oder neu gebaut. Das führte dazu, dass mehrere Tucherschlösser in verschiedenen Regionen existieren – teils als Wohnsitze, teils als Verwaltungssitze landwirtschaftlicher Besitzungen.
4. Namensverwendung in der Nachzeit
Nicht jedes „Tucherschloss“ im heutigen Sinne war ein offizieller Adelssitz – manche wurden nachträglich so genannt, etwa:
- weil sie im Besitz der Tucher waren
- oder weil sie mit Stiftungen oder Museen in Verbindung stehen, wie das berühmte Tucherschloss in Nürnberg, heute ein Museum.
Beispiele für Tucherschlösser
- Tucherschloss in Nürnberg (Hirschelgasse): Stadtresidenz, heute Museum.
- Schloss Simmelsdorf (bei Lauf): Stammsitz der Familie, heute noch im Besitz der Familie Tucher von Simmelsdorf.
- Weitere Herrenhäuser oder Schlösser in Bayern und Franken, die von der Familie oder ihrer Stiftung unterhalten oder einst besessen wurden.
Die Vielzahl an Tucherschlössern erklärt sich durch die reichsweite Ausstrahlung, wirtschaftliche Macht und Familienverzweigung der Patrizierfamilie Tucher. In einer Zeit, in der Stadtbürger adelige Lebensweise imitierten oder sich in den Reichsadel einkauften, waren mehrere Schlösser keine Ausnahme, sondern Ausdruck des Familienstatus.
Eine vollständige, offizielle Liste aller sogenannten „Tucherschlösser“ existiert in dieser Form nicht zentralisiert in öffentlich zugänglichen Quellen. Der Begriff „Tucherschloss“ wird teils historisch, teils volkstümlich verwendet für verschiedene Besitze und Bauten der Patrizierfamilie Tucher von Simmelsdorf – manche davon sind Schlösser im architektonischen Sinn, andere Stadtpalais oder Herrenhäuser. Dennoch lässt sich eine Übersicht der bekanntesten und historisch belegten Schlösser und Sitze der Familie Tucher zusammenstellen:
Bekannte Tucherschlösser und -sitze
1. Tucherschloss Nürnberg
- Typ: Stadtpalais, Renaissance-Stil
- Funktion: Repräsentationssitz der Familie in der Stadt
- Heutige Nutzung: Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal
- Erbaut: 1533–1544 durch Lorenz Tucher
2. Schloss Simmelsdorf
- Typ: Ländliches Schloss / Stammsitz
- Ort: Simmelsdorf bei Lauf an der Pegnitz (Mittelfranken)
- Funktion: Hauptsitz der Linie „Tucher von Simmelsdorf“
- Besonderheit: Bis heute in Familienbesitz
- Teile: Ehemals Wasserburg, dann Renaissance-Umbau
3. Tucherschloss Schoppershof
- Typ: Gutshof mit Landsitzcharakter
- Funktion: Sommer- und Landsitz der Tucher-Familie
- Heutige Nutzung: Zum Teil erhalten, heute Wohnanlage
4. Schloss Feucht (ehemaliger Besitz)
- Ort: Markt Feucht bei Nürnberg
- Funktion: Kurzzeitig in Tucher-Besitz
- Bemerkung: Später in anderem Besitz, dennoch historisch mit der Familie verbunden
5. Schloss Großgründlach
- Ort: Nürnberg-Großgründlach
- Status: War im Besitz der Tucher (im Rahmen von Vererbungen/Allianzen)
- Heutige Nutzung: Teilweise erhaltene Schlossanlage
Weitere mögliche, aber weniger belegte oder umstrittene Objekte
Einige weitere Güter, Landsitze und Gebäude werden in der Forschung oder lokalhistorisch teils als Tucherschlösser bezeichnet, obwohl sie nicht immer offiziell oder dauerhaft im Besitz der Familie waren. Dazu gehören:
- Landsitze in Kornburg, Katzwang oder Erlenstegen – besaßen Tuchergräber oder -güter
- Tucher-Häuser in anderen Städten wie Augsburg, Bamberg oder München – teilweise Zweigstellen des Handels
Hintergrund zur Schwierigkeit einer vollständigen Liste
- Die Familie war über Jahrhunderte aktiv und hatte viele Immobilienbesitze, die teils wieder verkauft oder vererbt wurden.
- Einige Objekte wurden nicht als „Schloss“ gebaut, werden aber so genannt, weil sie im Besitz der Familie waren.
- Nicht alle Objekte sind heute noch erhalten oder öffentlich zugänglich.
- Historische Quellen sind oft verstreut auf Archive in Nürnberg, Simmelsdorf, sowie Familienstiftungen.