Transskript zum Podcast Schloss Hämelschenburg
Willkommen zum Podcast „Burgen und Schlösser in Deutschland“.

Ich bin Gunter und habe in den letzten 20 Jahren rund 2.500 Burgen, Schlösser und Ruinen in ganz Deutschland besucht und fotografiert. Begleite mich auf eine Reise zu meinen persönlichen Lieblingsorten!
Ich liebe besonders die weniger bekannten Orte direkt vor deiner Haustür. Plötzlich biegt man um eine Ecke und steht vor einem beeindruckenden Zeugnis voller Geschichte.
Genau ein solches Objekt findest du im Weserbergland in Niedersachsen, zwischen Hannover und Kassel.
Wenn du die Landstraße von Emmerthal aus entlangfährst, schlängelt sich die kleine Emmer malerisch durch das Tal, bevor sie nach einigen Kilometern in die Weser mündet.
Plötzlich in einer Kurve erblickst Du, am Hang des Tals erbaut, das märchenhafte Schloss Hämelschenburg.
Aber reisen wir zunächst zurück in der Zeit.
Das fünfzehnte Jahrhundert war geprägt von regionalen kriegerischen Konflikten.
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war stark zersplittert. Es bestand aus hunderten von Territorien. Herzogtümer, Grafschaften, Bistümer, freie Städte und Königreiche standen in ständiger Konkurrenz. Und die Macht des Kaisers war begrenzt.
Es war ein ständiges Hin und Her lokaler Herrscher um territoriale Vorherrschaft.
Bereits 1485 besetzen westfälische Truppen die Burg – und das sollte nicht die einzige Belagerung der Burg sein. Dabei schleppten sie reichlich des kostbaren Inventars aus dem Schloss oder verwüsteten es.
Nur zwei Jahre später zettelte Herzog Wilhelm von Braunschweig eine Fehde an.
Fehden waren damals ein ganz legitimes rechtliches Mittel, um Ansprüche kriegerisch durchzusetzen. Adelige führten ständige private Kriege, da es kaum einheitliche Rechtsprechung oder eine dritte unabhängige Instanz gab.
Dabei konnte man immerhin nicht einfach so angreifen. Das Ganze ging nicht ohne Grund. Der Herzog bemühte sich allerdings nicht besonders, und fand schnell einen: Ein angeblich von der Burg durchgeführter Straßenraub.
Die Burg wurde dann von ihm angegriffen, geplündert und, wie damals üblich, gleich komplett zerstört. Die von Klenckes, denen das damalige Lehen übrigens bis heute gehört, bemühten sich natürlich die Anlage so schnell wie möglich wieder aufzubauen. Nachdem sie das Lehen 1487 zunächst verloren hatten, konnten sie es erst 1493 wieder zurück erhalten. Die wüste Burgstelle wurde dann zunächst als sogenanntes „festes Haus“ – einer kleineren Burganlage – wieder aufgebaut.
Rund 50 Jahre später ein weiterer schwerer Schlag: Ein großes Feuer zerstörte die Burg bis auf die Grundmauern.
1556 wurden zunächst die Wirtschaftsgebäude und dann die Schlosskapelle wieder aufgebaut.
Bevor ab 1588 der Bau des Schlosses begann, wohnte die Familie im Wirtschaftsgebäude.
Ab 1618 zog der 30jährige Krieg, als zerstörerischer und blutiger Kampf quer durch Europa. Als einer der obersten Heerführer dieser Zeit, nutzte Tilly die Weser als günstigen Transportweg für Truppen und Nachschub. Er marschierte mehrmals durch das Weserland und eroberte auch das mit dem Pferd nur zwei Stunden entfernte Hameln. Es war also nur eine Frage der Zeit bis seine Truppen in Hämelschenburg einfielen.
Doch was ist das? Einige Pferde werden im Schlosshof gesattelt, eine Frau zieht ihre Reitstiefel an und schwingt sich auf ihr Pferd. Schließlich lässt sich sie noch ihre Tasche mit einigen Dokumenten reichen. Die Schlossherrin Anna von Holle führt die kleine Delegation an.
Noch lagen Tillys feindliche Truppen auf der anderen Seite der Weser. Doch die Brücke bei Grohnde, war nur wenige Kilometer entfernt.
Anna von Holle machte sich mutig auf eine gefährliche Mission: Sie wollte zum Feldherren durchkommen und mit ihm verhandeln. Vorbei an den hungrigen und marodierenden Soldaten war das eigentlich völlig unmöglich.
Mit unglaublichem Mut und viel Glück schaffte sie es tatsächlich und wurde vorgelassen.
Ich kann mir heute kaum vorstellen, mit welch außergewöhnlichem Verhandlungsgeschick sie es schaffte, Tilly zu überzeugen. Vielleicht war es gerade die Überraschung, dass eine so mutige Frau ihm entschlossen entgegengeritten kam.
Sie legte dem General den vorbereiteten Schutzvertrag vor und überzeugte ihn, ihn zu unterzeichnen – mit dem Versprechen hoher Geldzahlungen, reichlich Nahrung, Pferden und Material.
Tilly stellte unmissverständlich klar, dass seine Soldaten die Abmachung strikt einhalten mussten: Wer die Hämelschenburg plünderte oder angriff, dem drohte die Todesstrafe. Dennoch zerstörten seine Truppen in den folgenden Tagen die Brücke über die Weser. An genau dieser Stelle kann die Weser übrigens heute mit einer Seilfähre überquert werden.
Letztendlich konnte die Schlossherrin, Mutter von 14 Kindern, also abends wieder zu ihrer Familie zurückkehren – und das Schloss blieb tatsächlich vom Krieg verschont.
Umso bemerkenswerter, da Tilly für die katholische Liga kämpfte, während die von Klenckes protestantisch waren.
Dank dieser Rettung blieb einer der frühesten evangelischen Kirchenbauten Norddeutschlands erhalten. Unvorstellbar, wenn die kostbaren Schnitzereien den Flammen zum Opfer gefallen wären. Das spätgotische Meisterwerk aus Lindenholz, um 1480 entstanden, ist so bis heute bewahrt geblieben.
Heute erwartet die Besucher ein eindrucksvolles Ensemble aus Schloss, Kirche, Wirtschaftsgebäuden und Park – beeindruckend gut erhalten und mit viel ursprünglichem Inventar.
Nicht umsonst zählt das Schloss zu den schönsten im norddeutschen Raum und besonders zu den eindrucksvollsten Bauwerken der Weserrenaissance.
Diese Architekturepoche des 16. und frühen 17. Jahrhunderts verbindet italienische und niederländische Einflüsse mit regionalen Baustilen. Charakteristisch sind reich verzierte Fassaden mit Giebeln, Erkern und Ornamenten, oft symmetrisch angeordnet und mit markanten Türmen oder Treppengiebeln versehen.
Von Hannoversch Münden bis Thedinghausen prägen prachtvolle Schlösser und Rathäuser das Bild – und selbst das Bremer Rathaus erhielt in dieser Zeit sein Renaissance-Gewand.
Dieser exklusive Baustil war definitiv nichts für den schmalen Geldbeutel. Wer so bauen wollte, brauchte eine prall gefüllte Haushaltskasse – und die gab es nur mit einem florierenden landwirtschaftlichen Betrieb.
Hat das funktioniert? Nun ja, sagen wir es mal so: Quellen berichten, dass sich Jürgen von Klencke ziemlich früh zur Ruhe setzen konnte.
Geboren im Jahr 1551, galt Jürgen von Klencke als humanistisch gebildet und welterfahren. Manche Quellen attestieren ihm sogar eine „für seine Herkunft“ – was auch immer das genau heißen mag – überdurchschnittliche Bildung. Sein Bildungsweg war jedenfalls nicht ohne: Erst Lateinschule in Minden, dann das Gymnasium in Hannover. Schließlich folgte die standesgemäße Erziehung in Nienburg am Hof des Grafen von Hoya.
Seiner militärischen Laufbahn stand nun nichts mehr im Weg. Er stieg schnell bis zum Rang des Rittmeisters auf – etwa vergleichbar mit einem Hauptmann. In dieser Position befehligte er eine Kavalleriekompanie mit rund 100 bis 150 Reitern.
Doch seine Studienzeit hatte noch ein weiteres Highlight: Am Hof des Bischofs Eberhard von Holle in Verden vertiefte Georg nicht nur seine humanistischen Kenntnisse – sondern auch seine Beziehung zur Nichte des Bischofs. Und wie es der Zufall wollte, überzeugte er sie später zu heiraten.
Da seine Junggesellenbude wohl nicht gerade familientauglich war, begannen die beiden kurz nach der Hochzeit mit der Planung ihres… Einfamilienhauses? Nun ja, eher des Schlosses.
Aber woher kam eigentlich dieser Reichtum?
Ein solider Einkommensstrom kam aus den Straßenzöllen. Händler, die auf den wichtigsten Handelsrouten unterwegs waren, mussten für die Durchfahrt bezahlen – eine lukrative Einnahmequelle.
Noch profitabler war jedoch der Kornhandel. Und hier hatte der Gutsherr nicht nur ein gutes Händchen, sondern auch eine gehörige Portion Glück. Denn in vielen Teilen Europas tobten Kriege. Felder blieben unbestellt, Ernten fielen aus – und das führte zu massiver Knappheit und Hungersnöten. Die Folge? Die Getreidepreise explodierten. Zwischen 1580 und 1600 verdoppelten sie sich.
Doch so ein Schlossbau? Der ließ sich mit diesen Einnahmen allein kaum finanzieren…
Zu dieser Zeit eröffnete sich eine äußerst lukrative Einnahmequelle: das Geschäft als Kriegsunternehmer. Wer über genügend Kapital verfügte, stellte auf eigene Kosten eine Truppe von Landsknechten zusammen, rüstete sie aus und bot sie dem Meistbietenden an. Die Kriegsschauplätze Europas lieferten dafür reichlich Gelegenheiten. Dabei spielte es kaum eine Rolle, für welche Seite gekämpft wurde – Loyalität galt dem, der zahlte. Die angeworbenen Söldner wussten oft nicht einmal, wo ihr nächster Einsatzort sein würde – sie zogen dorthin, wohin der Auftrag sie führte.
Die Söldnerheere wurden dabei vom Obersten persönlich angeführt. Das Geschäft war riskant, aber die Verdienstmöglichkeiten enorm. In einigen Quellen ist sogar von Einnahmen bis zu 300.000 Talern die Rede – eine gewaltige Summe für die damalige Zeit. Neben den von Klenckes betätigten sich auch die verwandtschaftlich verbundenen von Münchhausen und von Holle erfolgreich in diesem Geschäft.
Zum Vergleich: Ein einfacher Arbeiter verdiente damals etwa einen Taler pro Woche, und ein ganzes Haus ließ sich für rund 200 Taler bauen. Der Wert eines Talers wird heute auf eine Kaufkraft von etwa 200 bis 300 Euro geschätzt. Das bedeutet, dass 300.000 Taler einem heutigen Wert von bis zu 60 Millionen Euro entsprechen – ein wahres Millionengeschäft.
Neun Jahre lang war Jürgen von Klencke als Söldnerführer im Einsatz – sowohl in den spanisch-oranischen Kriegen als auch im Hugenottenkrieg. Danach zog er sich aus dem Geschäft zurück.
Du findest das Rittergut zwischen Hameln und Bad Pyrmont in der Schlossstrasse in der Gemeinde Emmerthal.
Parkplätze stehen direkt an der Straße zur Verfügung.
Das Schloss befindet sich in Privatbesitz und ist nur im Rahmen von Führungen oder Veranstaltungen zugänglich. Bitte respektiere die Privatsphäre der Eigentümer.
Die knapp einstündigen Führungen werden von April bis Oktober angeboten.
Doch auch von der Straße aus eröffnet sich ein wunderschöner Blick auf das beeindruckende Schloss und die malerische Landschaft. Schau in den Karpfenteich vor dem Schloss – vielleicht entdeckst du ein paar der stattliche Fische. Und unbedingt empfehlenswert: ein kurzer Spaziergang durch die Gutsanlage bis zur Mühle im Tal an der Emmer.
Die Kirche ist in der Regel von April bis Oktober zwischen 14 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet.
Gottesdienste finden regelmäßig am Sonntag Morgen statt.
Die Marien-Kirche wurde um 1600 vom Schlosserbauer und seiner Frau Anna großzügig ausgestattet. Der Innenraum ist reich verziert. Besonders beeindruckend sind die umfangreichen Holzarbeiten, darunter die Familienempore der von Klenckes. Der kostbare Altaraufsatz stammt noch aus dem Vorgängerbau. Er zeigt die Gottesmutter mit Jesuskind im Kreise von sechs heiligen Frauen. Ein Schnitzwerk aus dem nördlichen Harzvorland.
Sehenswert ist daneben auch der Taufstein von 1610, getragen von Atlanten und Karyatiden, mit kronenartigem Holzdeckel.
Die Orgel wurde 1913 von einem aus Salzhemmendorf stammenden Betrieb erneuert.
Was musst du gesehen haben?
Der dreiflügelige Bau im prächtigen Stil der Weserrenaissance erzählt von drei Bauperioden. Besonders auffällig: die kunstvollen Portale im Innenhof. Im Eingangsbereich steht noch immer der imposante Kamin von 1606 – und die Portraitbüsten des Erbauer-Ehepaares.
Auch im Inneren spiegelt sich die Geschichte wider: Zahlreiche Möbelstücke aus dem 16. bis 19. Jahrhundert füllen die Räume. Besonders bemerkenswert: ein viertüriger Eichenschrank und das wappengeschmückte Ehebett aus der Aussteuer von 1587. Ergänzt wird das Ambiente durch eine beeindruckende Gemäldesammlung aus dem 18. Jahrhundert.
Ein weiteres Highlight ist das repräsentative Brückentor von 1603, das sich über den ehemaligen Festungsgraben spannt.
Und dann gibt es noch die „Pilgerlaube“ – ein Zeugnis des christlichen Engagements der Erbauer. Direkt an die Küche angeschlossen, diente sie einst als Ort, an dem vorbeiziehende Pilger eine warme Mahlzeit erhielten.
Ein Zeichen bodenständiger Bescheidenheit?
Auch das gibt es hier: Der Spruch über der Tür zum Pferdestall lässt daran keinen Zweifel:
„Diesen Stall muss meiden, wer mehr als vier Pferd‘ will reiten.“
Kein Ort für Leute, die übertreiben oder zu viel wollen. Wer mehr als vier Pferde beansprucht, ist vielleicht zu anspruchsvoll oder arrogant für dieses Umfeld.
Ein kleiner Hinweis noch: Einige Passagen wurden aus dramaturgischen Gründen leicht angepasst oder frei erzählt, um die Geschichten noch spannender und unterhaltsamer zu machen. Die Kerninhalte basieren jedoch auf wahren Begebenheiten.
Vielen Dank, dass du dabei warst – ich hoffe, du hast die Reise in die Geschichte genauso genossen wie ich. Bis zum nächsten Mal!
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