Schloss Arolsen

Transskript zum Podcast Schloss Arolsen

In dieser Folge tauchen wir in die Geschichte eines beeindruckenden Bauwerks ein: Schloss Arolsen.

Ein Ort mit königlichen Verbindungen, unerwarteten Gästen und einer Geschichte, die weit über die Region hinausreicht.

Doch was genau hat es mit dem Besuch von Königin Beatrix auf sich? Bleibt dran, um es herauszufinden!

Schloss Arolsen, Winter 1878

Dienerschaft und Hofdamen flüstern in den langen Gängen, während draußen eine königliche Kutsche über den verschneiten Hof rollt. König Wilhelm III. von den Niederlanden ist angekommen, um Prinzessin Emma zu treffen…

Ich sag’s euch. Der Mann ist ein Lebemann. Ein Wüüstling! Hast du gehört, was sie in Denn Haag über ihn erzählen? Skandahle ohne Ende!

Aber er ist doch ein richtiger König! Und so mächtig! Ist das nicht ein Glück für unsere Prinzessin?

Glück? Ha! Der Mann ist fast sechzig! Und Emma ist doch noch ein Mädchen!

Still jetzt, da kommt sie!

Die Kutsche vor dem Schloss hält. König Wilhelm III. steigt aus – ein Mann mit weißem Bart, schwerem Mantel und wachem Blick. Die Dienerschaft verstummt. Emma verbeugt sich. Der König lächelt. Und ein neues Kapitel beginnt.

Willkommen zum Podcast „Burgen und Schlösser in Deutschland“.

Ich bin Gunter und habe in den letzten 20 Jahren rund 2.500 Burgen, Schlösser und Ruinen in ganz Deutschland besucht und fotografiert.

Begleite mich auf eine Reise zu meinen persönlichen Lieblingsorten!

Unser Spaziergang beginnt an der evangelischen Stadtkirche – dem Herzen der Altstadt.

Von hier aus tauchen wir ein in die besondere Atmosphäre dieser barocken Residenzstadt.

Der Stadtgrundriss wurde im Zuge des Schlossneubaus als harmonisches Barockensemble geplant.

Bad Arolsen war von 1655 bis 1918 die Residenzstadt der Grafen und Fürsten von Waldeck-Pyrmont und später Hauptstadt des Freistaates Waldeck.

Wir folgen der Schlossstraße – einer Prachtachse, die noch heute den Charakter der Residenzstadt bewahrt. Links und rechts reihen sich die einst für Hofbeamte errichteten Wohnhäuser aneinander – zweigeschossige Einzelhäuser, die den barocken Charme des Ortes unterstreichen.

1711 wurde Graf Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck in den Reichsfürstenstand erhoben. Zur Feier ließ er das alte Renaissanceschloss in Arolsen durch ein barockes Prachtbauwerk ersetzen.

Der Abriss begann bereits 1710. Inspiriert von Versailles beauftragte der Fürst den Baumeister Julius Ludwig Rothweil. So entstand eine imposante dreiflügelige Anlage im Barockstil.

Am 13. September 1720 zog das Fürstenpaar feierlich in den noch unvollendeten Bau ein. Wegen Geldmangel dauerten die Arbeiten fast ein Jahrhundert. Erst um 1810, unter Fürst Friedrich, wurden das Treppenhaus und der Weiße Saal fertiggestellt.

Besonders beeindruckend sind die italienischen Deckengemälde und die feinen Stuckarbeiten. Der Ostflügel verdankt seine Pracht der kunstsinnigen Fürstin. Sie förderte eine bedeutende Bibliothek, ein bekanntes Naturalienkabinett und sorgte für die musische Bildung ihrer Söhne.

Der Schlossbau belastete die Staatsfinanzen des kleinen Fürstentums stark. Nach der Gründung des Deutschen Bundes war Waldeck so verschuldet, dass es die Beiträge nicht mehr zahlen konnte.

Ein sichtbares Zeichen der finanziellen Not der Fürsten von Waldeck-Pyrmont ist der Marschallbau am Arolser Schloss.

Ursprünglich als repräsentativer Flügel geplant, blieb er aufgrund knapper Kassen unvollendet.

Statt der geplanten aufwendigen Gestaltung wurde nur ein schlichter Bau fertiggestellt. Der finanzielle Druck zwang das Fürstenhaus, an vielen Stellen zu sparen – und der unfertige Marschallbau ist ein bis heute sichtbares Zeugnis dieser Geldnot.

Exzellenz, dieser Brief ist soeben aus Kassel eingetroffen. Napoleon fordert die Unterstützung des Fürstentums Waldeck.

Wenn ich ihm gehorche, sind wir verloren. Doch verweigere ich, könnte das Schloss von seinen Truppen besetzt werden.

Vielleicht wäre es klug, abzuwarten?

Die politischen Wirren der napoleonischen Kriege stellten das Fürstentum vor schwere Entscheidungen.

Um seine Eigenständigkeit zu bewahren, schloss sich Waldeck im Jahr 1806 dem Rheinbund an – einem Bündnis unter Napoleons Führung.

Doch dieser Schritt hatte seinen Preis: Waldeck musste Truppen für Napoleons Kriege bereitstellen.

Besonders tragisch war der Einsatz der waldeckschen Soldaten im Russlandfeldzug von 1812. Viele zogen in Richtung Moskau, doch nur wenige kehrten aus dem verheerenden Rückzug lebend zurück.

Mit Napoleons Niederlage und der Auflösung des Rheinbundes im Jahr 1813 gewann Waldeck schließlich seine Unabhängigkeit zurück.

Das Fürstentum Waldeck und Pyrmont war einer der kleinsten Staaten im Deutschen Kaiserreich. Es lag zwischen Kassel, Marburg und Paderborn. Wichtige Städte waren die Hauptstadt Arolsen, Bad Wildungen und Pyrmont.

Die Fürsten von Waldeck stammten aus dem Haus Schwalenberg, das ab dem späten 12. Jahrhundert als Waldeck bekannt war. 1631 kam Pyrmont hinzu. Im Mittelalter wechselten die Gebietsgrenzen oft.

1866 stellte sich Waldeck-Pyrmont auf die Seite Preußens. Es trat dem Norddeutschen Bund und später dem Deutschen Reich bei. Zur Reichsgründung regierte Fürst Georg Viktor, ein konservativer Herrscher.

Eine Eingliederung in Preußen stand im Raum, doch Bismarck lehnte ab – aus Rücksicht auf die kleineren Staaten. Dennoch übernahm Preußen später die Verwaltung. Für das hochverschuldete Fürstentum war das ein rettender Schritt. Denn Preußen trug nun die Verwaltungskosten und setzte einen Landesdirektor ein.

Emma zu Waldeck und Pyrmont – die berühmteste Bewohnerin von Schloss Arolsen – wurde 1879 Königin der Niederlande.

Ihre Ehe mit König Wilhelm III. war weniger romantisch, sondern vor allem politisch motiviert.

Nach dem Tod seiner ersten Frau brauchte Wilhelm dringend einen Erben. Doch in Europa war er wegen seines exzentrischen Rufs wenig beliebt. Mehrere Heiratsanträge wurden abgelehnt. Schließlich vermittelte seine Schwägerin, Kaiserin Augusta, ein Treffen mit Emma.

Trotz 41 Jahren Altersunterschied überzeugte Emma mit Intelligenz und Bescheidenheit. Am 7. Januar 1879 verlobten sie sich – am selben Tag wurde in Arolsen Hochzeit gefeiert.

Emma überraschte viele: Als Königin war sie klug, diplomatisch und ordnete Wilhelms chaotisches Leben. Nach seinem Tod wurde sie eine der bedeutendsten Regenten der Niederlande – und ihre Ehe galt als erstaunlich stabil.

2008 besuchte die damalige Königin Beatrix der Niederlande Schloss Arolsen. Ihre Urgroßmutter war Königin Emma. Der Besuch war ein Zeichen der Verbundenheit mit ihrer deutschen Herkunft und den historischen Beziehungen zwischen den Niederlanden und Waldeck.

Mit 21 Jahren war Emma die jüngste Königin in der Geschichte der Niederlande – und zugleich die erste weibliche Regentin.

Sie beeindruckte das Volk durch ihre Bescheidenheit und Warmherzigkeit und wurde schnell zur „Königin der Herzen“.
Ihr Einsatz für das Land brachte ihr den inoffiziellen Titel „Mutter des Vaterlandes“ ein.

Das Schloss Arolsen ist teilweise noch von der fürstlichen Familie bewohnt, kann aber im Rahmen von Führungen besichtigt werden.

Ein Besuch nimmt Dich mit auf eine Reise durch prachtvolle Räume und eindrucksvolle Kunstwerke.

Im Steinernen Saal erwarten Dich barocke Stuckarbeiten und beeindruckende Deckengemälde.

Das Treppenhaus erzählt mit mythologischen Szenen, Büsten und Skulpturen von vergangenen Zeiten.

Im Weißen Saal siehst Du Familienporträts berühmter Maler wie Tischbein, während Dich der Musiksalon mit seinen Gemälden und der historischen Atmosphäre begeistert.

Der Empire-Salon zeigt edle Möbel und Kunst aus fürstlichem Besitz.

Das Blaue Schlafzimmer gibt Dir Einblicke in das Leben von Königin Emma und ihrer Familie – das goldene Prunkbett ist ein echter Hingucker.

Im Kronprinzenzimmer entdeckst Du eine festlich gedeckte Tafel und Portraits bedeutender Persönlichkeiten.

Ein besonderes Highlight ist die Alhambra, ein Hochzeitsgeschenk an Prinzessin Helene von Nassau.

Zum Abschluss lädt Dich das Spielzimmer mit historischen Spielsachen und einer Babywiege dazu ein, in die Kindheit vergangener Jahrhunderte einzutauchen.

Hier sind die Namen der vermissten Personen. Wir müssen sie so schnell wie möglich katalogisieren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Schloss Arolsen zum Sitz des Internationalen Suchdienstes, der nach verschollenen Kriegsopfern und NS-Opfern suchte. Tausende Schicksale wurden hier rekonstruiert.

Heute befindet sich das Archiv zwar nicht mehr im Schloss, ist aber in Bad Arolsen geblieben.

Mit 30 Millionen Dokumenten und Hinweisen zu etwa 17 Millionen Menschen ist es das weltweit größte Archiv.

Schloss Arolsen hat viele Gesichter gesehen – prunkvolle Bälle, dunkle Zeiten der Geschichte und bewegende Momente der Hoffnung.

Noch heute beeindruckt es mit seiner barocken Architektur und seinen Geschichten.

Vielleicht wagst du selbst einmal einen Besuch – wer weiß, welche Geheimnisse Du dort entdecken wirst?

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